Pianistin Anne Larlee
Pianistin Anne Larlee
»Ein Einzelcoaching ist intim, denn das Singen und die Stimme an sich sind für die Sänger ja eine sehr persönliche Sache und das macht sie verwundbar.«
Die Zusammenarbeit mit Sängern birgt für die gebürtige Kanadierin jedes Mal wieder etwas Neues, die Arbeit an den verschiedenen Werken jedes Mal wieder eine eigene Herausforderung. In unserem Gespräch erzählt Anne von ihren Aufgaben im Opernbetrieb und warum sie manchmal das Gefühl hat, beim »Speed Dating« zu sein.
Liebe Anne,
ursprünglich bist Du aus Kanada aufgrund Deines Berufes nach Deutschland gekommen; inzwischen bist Du Korrepetitorin an der Oper Frankfurt. Kannst Du erzählen, was zu Deinen Aufgaben gehört?
Ein großer Teil meiner Arbeit ist das Begleiten von szenischen Proben. Bei einer Neuproduktion finden nur wenige szenische Proben mit Orchester statt – alle anderen werden vom Klavier begleitet und ich ersetze dann das Orchester. Dann gibt es den sogenannten »Tastendienst«, wenn ich im Orchestergraben die Begleitung von z.B. Rezitativen in einer Oper übernehme. Da spiele ich Orgel oder Cembalo, aber auch Klavier oder Hammerklavier. Des Weiteren arbeite ich mit Sängern in Einzelcoachings an verschiedenen Partien. Dazu gehören Sprachcoachings in Deutsch, Englisch, Italienisch und Französisch, musikalische Korrekturen, stilistische Beratung. Ab und zu kommt es auch vor, dass wir Pianisten szenisch in eine Inszenierung eingebunden werden und als Figuren auf der Bühne auftreten.
Du arbeitest mit Künstlern aus verschiedenen Ländern zusammen – gibt es da Schwierigkeiten, einander zu verstehen? Finden die Proben grundsätzlich auf Deutsch statt, oder ist das unterschiedlich?
Oft muss ich sehr schnell mit Menschen, die ich nicht kenne, einen Weg finden, effektiv zusammenzuarbeiten; ich nenne das dann »Speed Dating«. Das kommt häufig vor, denn in jedem Projekt, das ich betreue, gibt es neue Darsteller, mit denen ich vorher noch nicht gearbeitet habe. Ein Einzelcoaching ist intim, denn das Singen und die Stimme an sich sind für die Sänger ja eine sehr persönliche Sache und das macht sie verwundbar. Das gleiche gilt für den szenischen Probenalltag und ich muss mir dessen immer bewusst sein. In welcher Sprache die Proben stattfinden, hängt immer sehr von den Mitwirkenden ab und es kommt nicht selten vor, dass ich in einer Probe mit verschiedenen Personen unterschiedliche Sprachen spreche! Natürlich hat man auch ab und zu kulturell bedingt unterschiedliche Arbeitsweisen und Sprachbarrieren. Ich versuche immer, neutral zu bleiben und einen Mittelweg zu finden, so dass es für alle Beteiligten funktioniert. Es hilft mir sehr, dass ich Französisch, Englisch, Italienisch und Deutsch spreche – Englisch wird generell sehr viel gesprochen.
In den Proben musst Du oft am Klavier ein ganzes Orchester imitieren und den Sängern auch mal Einsätze geben. Hast Du ein spezielles System, wie Du dir eine Partitur erarbeitest, damit das möglich ist? Gibt es Stücke, bei denen das besonders kompliziert ist?
Jetzt, nach vielen Jahren Berufserfahrung, habe ich durchaus ein gewisses System, wie ich mir die Stücke erarbeite. Ich beginne z.B. immer damit, die komplette Partitur zunächst am Schreibtisch zu studieren, um mir die Orchestrierung vor Augen zu führen. Zusätzlich höre ich gerne Aufnahmen, um einen Eindruck vom Klang des Orchesters zu gewinnen. Ich bin stets darum bemüht, den Klang der verschiedenen Instrumente am Klavier nachzuempfinden. Manchmal ist es sehr kompliziert, z.B. bei »Le Grand Macabre« von Ligeti. In diesem Stück gibt es vier Schlagzeuge und diese kann ich natürlich nur bedingt an den Tasten des Klavieres wiedergeben. Ich versuche dann, während des Spiels zusätzlich mit dem Fuß zu stampfen oder gewisse Rhythmen mit einer Hand auf dem Holzdeckel des Klavieres zu schlagen; definitiv eine koordinative Herausforderung! Gemeinsam mit einem Freund habe ich eine Uraufführung gespielt, in der viel elektronische Musik genutzt wurde. Die Partitur dazu war sehr schwierig zu lesen, weil keine richtigen Noten, sondern mehr Klang-Diagramme notiert waren. Wir haben uns dann Hilfe bei Experten für zeitgenössische Musik geholt und uns Tipps für die Erarbeitung geben lassen. Solche Aufgaben sind immer wieder aufs Neue anspruchsvoll.
Herzlichen Dank für das Gespräch!