Maskenbildnerin Julia Grom
Maskenbildnerin Julia Grom
»Wir sind diejenigen, die dafür verantwortlich sind, wie die Darsteller am Abend auf die Bühne gehen. Und hierbei geht es eben nicht nur um die Anfertigung einer Perücke, oder wie gut oder schlecht man ein Gesicht schminkt. Wir begleiten die Menschen und bringen sie in eine Verfassung, in der sie dann gut auf die Bühne gehen können; nicht nur optisch, sondern auch emotional.«
Liebe Julia,
Du arbeitest als Maskenbildnerin an der Oper Frankfurt. Kannst Du erzählen, was zu Deinen Aufgaben gehört?
Hier in Deutschland ist der Beruf sehr umfangreich und umfasst viele Sparten. Grundsätzlich helfen wir Darstellern mit optischen Mitteln, sich in Figuren einzufinden. Zu meinen Aufgaben gehört es, u.a. Haarteile anzufertigen, also z.B. Perücken oder Brusthaartoupets, die aus Tüll und echten Haaren hergestellt werden, und diese nach den Vorstellungen wieder aufzubereiten. Außerdem gibt es den Vorstellungsdienst, wenn ich vor und während einer Vorstellung die Darsteller schminke oder Schnellumzüge durchführe. Der »Werkstattdienst« findet zu regulären Arbeitszeiten tagsüber statt. Da knüpfen wir Perücken, erstellen die Monturen und vieles mehr. Die Arbeitseinteilung ist generell sehr individuell. Wenn man eine Opernproduktion betreut, die sehr lang ist und man deshalb viele Stunden am Abend beschäftigt ist, verbringt man natürlich weniger Zeit in der Werkstatt. Bei uns ist wirklich keine Arbeitswoche wie die andere!
Welchen Bereich magst Du am liebsten?
Weil ich ein sehr kommunikativer Mensch bin, liebe ich am meisten den »Abenddienst«. Schnellümzüge z.B. sind die Momente, in denen ein Darsteller während der Vorstellung sehr schnell in eine andere Rolle schlüpft oder eine andere Frisur oder neues Make-up bekommt. Wenn es z.B. so aussehen soll, dass der Charakter in einem Kampf war, kleben wir hinter der Bühne Wunden und tragen Blut auf. Damit es besonders schnell geht, gibt es dann auf der Seitenbühne oder hinter der Bühne Umzugskabinen, in denen sich die Maskenbilder und Ankleider gleichzeitig um den Darsteller kümmern, denn oft muss auch das Kostüm gewechselt werden. Meistens hat man nur wenige Minuten Zeit, da muss dann alles Hand in Hand gehen. Das sind so richtig aufregende Momente! Teilweise haben solche Schnellumzüge schon hinter einem Vorhang direkt auf der Bühne stattgefunden – da denke ich dann immer: »Oh Gott, hoffentlich stehe ich nicht gleich mit meinem Kamm im Scheinwerferlicht!«
Ganz kompliziert wird es, wenn auch noch die Bühnentechnik involviert ist. Ich erinnere mich, dass bei einer Produktion immer zwei Bühnenteile auf die Sekunde genau zusammengefahren werden mussten, damit dann der Darsteller abtreten konnte, um anschließend schnell von uns mit Blut beschmiert zu werden. Das war zeitlich und technisch sehr heikel … es hat aber immer funktioniert! Und selbst wenn mal etwas schief geht: »The Show must go on!> Hauptsache, das Publikum merkt nichts.
Was mir aber besonders am Herzen liegt und was mir vor allem während der Corona-Pandemie aufgefallen ist, als die ganze Kulturszene brach lag und wir tatsächlich nichts zu tun hatten: Wir sind diejenigen, die dafür verantwortlich sind, wie die Darsteller am Abend auf die Bühne gehen. Und hierbei geht es eben nicht nur um die Anfertigung einer Perücke, oder wie gut oder schlecht man ein Gesicht schminkt. Wir begleiten die Menschen und bringen sie in eine Verfassung, in der sie dann gut auf die Bühne gehen können; nicht nur optisch, sondern auch emotional. Ich muss Empathie besitzen und jemanden auffangen können. Das alles gehört zu dem Beruf dazu und nur so kann der Apparat Oper funktionieren.
Wenn die Darsteller bei Dir in der Maske sitzen, kommt man sich teilweise beim Schminken sehr nah. Ist das manchmal unangenehm?
Bisher hatte ich es eigentlich noch nie, dass mir die Nähe unangenehm war. Ich erinnere mich an eine Produktion, wo ich einigen Darstellern den Bereich um die Unterwäsche schminken musste – das war ein bisschen komisch, weil man sich da doch ungewöhnlich nahegekommen ist. Aber sowas ist selten und kann im besten Falle auch mit einem Witz aufgelockert werden!
Gibt es manchmal Menschen, die besonders starke Allüren haben?
Das gibt es tatsächlich immer mal wieder und es sind nicht immer unbedingt die großen Stars, das ist wirklich ganz unterschiedlich. Die lassen sich dann nicht von uns schminken und sagen meisten vorher auch ganz klar, dass sie sich selbst schminken. Für mich ist das dann auch in Ordnung! Ich mache das jetzt 24 Jahre und habe einfach die Erfahrung gemacht, dass es besser ist, wenn ich mich nicht weiter einmische, um Spannungen vor einer Vorstellung zu vermeiden.
Herzlichen Dank für das Gespräch!