Heldentenor Clay Hilley
Heldentenor Clay Hilley
»Das Repertoire ist in der Tat anspruchsvoll, und der Schlüssel liegt in einer soliden Technik.«
Für Clay Hilley wurde Wirklichkeit, was für viele Sängerinnen und Sänger ein Traum bleibt: Ein Anruf aus Bayreuth war der Wendepunkt seiner Karriere. Im Interview erzählt der Amerikaner, wie es dazu kam.
Lieber Clay, Du hattest Deinen großen Durchbruch, als Du kurzfristig bei der Premiere der Bayreuther Götterdämmerung im Jahr 2022 eingesprungen bist. Bayreuth ist ein großes Ziel, gerade für Sänger des Wagner-Repertoires. Kannst Du den Moment beschreiben, als Du den Anruf bekommen hast?
Es war ziemlich verrückt. Meine Frau und ich waren im Urlaub in Süditalien. Gegen 15 Uhr an einem Donnerstagnachmittag beim Mittagessen, kam ein Anruf von einer Bayreuther Telefonnummer. Noch bevor ich den Anruf entgegennahm, sagte ich zu meiner Frau: »Ich glaube, unser Urlaub ist gleich vorbei.« Und tatsächlich: Am anderen Ende war der Künstlerische Administrator der Bayreuther Festspiele, der fragte, ob ich »theoretisch« sofort nach Bayreuth kommen könne – für die Premiere der Götterdämmerung am nächsten Abend. Ich antwortete, dass ich sehr gerne kommen würde.
Meine Frau und ich packten unsere Sachen, nahmen ein Taxi zum Flughafen und flogen nach München. Dort wartete ein Fahrer auf uns – mit einer Götterdämmerung-Partitur, ein paar leeren Blättern und einem Bleistift. Ich hatte bereits das Video der Generalprobe erhalten, also studierte ich es während der zweistündigen Fahrt von München nach Bayreuth. Wir kamen gegen 23 Uhr am Donnerstagabend im Hotel an. Am nächsten Morgen, während die Schneider das Siegfried-Kostüm anpassten, besprach ich das Inszenierungskonzept mit Valentin Schwarz, dem Regisseur. Danach hatte ich eine kurze musikalische Probe mit Cornelius Meister und anschließend eine szenische Probe von nur 90 Minuten.
Bei Vorstellungsbeginn (16 Uhr) wurde angekündigt, dass Stephen Gould erkrankt sei und dass ich aus Italien eingeflogen wurde, um die Produktion zu übernehmen. Sofort brach das Publikum in Applaus aus – nicht unbedingt, weil es Clay Hilley war –, sondern weil jemand die Rolle singen und spielen würde. Oft ist es in solchen Situationen unmöglich, dass ein Ersatzsänger rechtzeitig kommt, um die Inszenierung zu lernen, sodass er die Partie vom Bühnenrand oder aus dem Orchestergraben singt. Da ich sang und spielte, fanden die Zuschauer, dass ihr teures Ticket nicht verschwendet war.
Diese Produktion wurde von der Deutschen Grammophon auf Video festgehalten – ein weiteres sehr aufregendes Debüt.
Du gehörst zu den gefragtesten Heldentenören der Welt. Wie schaffst Du es, die Qualität Deiner Stimme in diesem anspruchsvollen Repertoire zu bewahren?
Das Repertoire ist in der Tat anspruchsvoll, und der Schlüssel liegt in einer soliden Technik. Ich habe viele Jahre lang Rollen wie Alfredo, Edgardo, Pinkerton, Rodolfo gesungen – das Repertoire, das einem Sänger einen lyrischen Ansatz vermittelt. Ich bin dankbar, dass ich viele Jahre im italienischen Stil gesungen habe; tatsächlich gehe ich alle schwierigen deutschen Heldentenor-Rollen genauso an.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt bei der häufigen Aufführung dieser schwierigen Rollen ist die Planung. Man braucht mehrere Tage zur Erholung zwischen den Vorstellungen und vorzugsweise mehrere Wochen Pause zwischen verschiedenen Engagements.
Vor einigen Jahren hast Du zusammen mit Deiner Frau ein großes Wohnmobil gekauft und bist quer durch Amerika von einem Opernjob zum nächsten gereist. Wie war das Leben unterwegs?
Es war ein echtes Abenteuer! Wir haben von Oktober 2017 bis Mai 2022 darin gelebt, bis wir es verkauft haben. Es war ein sehr großes Wohnmobil, das an unseren großen Pickup-Truck angehängt wurde. Wir kauften es in Dallas, Texas, als ich Samson an der Dallas Opera coverte. Danach brachten wir es nach San Francisco, wo ich Calaf in Turandot coverte. Danach fuhren wir quer durch die USA nach Georgia, um Weihnachten mit meiner Familie zu verbringen. Gleich danach ging es nach New York City, wo ich mein erstes Cover-Engagement an der Metropolitan Opera hatte – Parsifal. Als das vorbei war, fuhren wir wieder zurück nach San Francisco, um Siegmund und beide Siegfrieds zu covern.
Als Covid kam, stellten wir es im ländlichem Georgia auf dem Grundstück meines Bruders ab. Dort erhielt ich im Februar 2021 den Anruf von meinem Agenten, dass mich die Deutsche Oper Berlin eingeladen hatte, die neue Siegfried-Produktion zu proben.
Du lebst jetzt in Berlin. Würdest Du die Stadt Dein Zuhause nennen?
Ja! Berlin ist seit Weihnachten 2021 definitiv unsere Basis. Es ist sehr gut für meine Frau und mich, da ich nur sechs Minuten zu Fuß bis zur Bühnentür der Deutschen Oper Berlin habe. Sara ist ebenfalls Sängerin und liebt die Antiquitäten - und Flohmärkte in Charlottenburg. Wir beide genießen lange Spaziergänge in den Gärten hinter dem Schloss.
Vielen Dank für das Gespräch!












